Frauen im Spitzensport, Teil 1: Nina Christen

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Zuletzt aktualisiert:

10. Januar 2024

Der existierende Gender-Gap im Sport ist unumstritten. Egal ob bei sexistischen Kleidungsvorschriften, der ungleichen Entlöhnung oder der geringeren Sendezeit: die Liste ist lang. Nina Christen, Schweizer Schützin und zweifache Olympia-Medaillen-Gewinnerin, erzählt im Interview von ihren persönlichen Erfahrungen als Frau im Spitzensport und warum beim Schiessen vieles anders ist. 

Frau, die Sportgewehr hält

Die Liste ist lang

Die Liste des GenderGap im Sport ist lang:

  • Turnerinnen fordern angemessene Kleidung und treffen auf Widerstand. (Quelle)
  • Das Norwegische Beachhandball-Team trägt längere Tights statt Bikinihöschen. Sie erhalten eine Busse.  (Quelle)
  • An den deutschen Skateboard-Meisterschaften erhalten die männlichen Skater 1500 Euro Preisgeld. Für die Frauen gibt es einen 150 Euro Gutschein. (Quelle)
  • Weltweit verdienen die Frauen im Basketball 1.6% von dem Betrag, den Männer in diesem Sport erhalten.  (Quelle)
  • Nur knapp 4% aller Studien der Sportwissenschaft fokussieren ausschliesslich auf Frauen. (Quelle)

Die Liste könnte endlos erweitert werden. In diesem Beitrag legen wir jedoch mit Nina Christen den Fokus auf die unterschiedliche Wahrnehmung von Frauen im Sport.

Wie wird man als Frau in der Sportart Schiessen wahrgenommen?

«Als Juniorin war ich meist die einzige Frau im Schiessstand. Mich persönlich hat es nie gestört, dass es sonst nur Männer hatte. Es ist ganz normal für mich.»  

«Ab und zu habe ich jedoch Diskussionen, weil Schiessen für viele noch eine Männersportart ist. Man merkt schon, dass gewisse irgendwie Probleme damit haben. Es mir ins Gesicht sagen, machen jedoch die wenigsten – vieles läuft leider hintendurch.»

«Hast du eigentlich noch nie eine Frau gesehen?» 

«Ich absolvierte die Spitzensport RS in Magglingen. In der normalen RS musste ich mir einige unangenehme Sprüche anhören, und ich spürte die Blicke der männlichen Rekruten. Das erlebt wahrscheinlich jede Frau in der RS. Die Frage ist, wie du damit umgehst. Ich bin da ziemlich unzimperlich und entgegne zum Beispiel direkt ‹Hast du eigentlich noch nie eine Frau gesehen?› Wichtig ist, dass du dabei nicht beleidigend wirst, sondern eine Ebene höher agierst und respektvoll bleibst.»

«Die Hauptursache solcher Sprüche ist meiner Meinung nicht, dass ich eine Frau bin, sondern weil ich nicht in die RS müsste. Das heisst ich bin von Anfang an nicht gleichgestellt, weil ich es freiwillig mache und die Männer alle müssen. Das stimmt einige etwas misslich, das verstehe ich durchaus. Nichtsdestotrotz gibt das niemandem Grund dazu, mich abwertend zu behandeln.»

«Meine Leistung wird manchmal heruntergespielt»

Es gibt das Argument, dass Männer grundsätzlich mehr Sendezeit, Lohn und mediale Aufmerksamkeit erhalten, weil das Niveau besser ist. Wie ist das beim Schiessen?

«Schiessen ist ein sehr kopflastiger Sport. Deshalb fliessen die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau eher weniger in die Leistung ein. Man könnte sogar gemischte Kategorien machen, was in anderen Sportarten nie möglich sein wird.»

«Beim Schiessen wird vieles im Kopf entschieden. Auffallende Unterschiede zeigen sich bei den Junior:innen. Da die Mädchen zwischen 14 und 20 Jahren in der Pubertät voraus sind, habe ich das Gefühl, dass sie sich etwas besser konzentrieren können. Dies spiegelt sich dann in den Resultaten wider.»

«In meinem Verein gibt es somit aktuell deutlich mehr Schützinnen als Schützen. Sogar so viele, dass der Verband bereits spezifische Junioren-Förderung betreibt, um das Kader mit Männern aufzufüllen.»

«Dass männliche Kollegen für die gleiche Leistung mehr Lohn erhalten als ich, ist bei meinen Arbeitgebenden nicht der Fall. Da die Stellen im Schiessen eher neu sind, wurde dies bei deren Schaffung beachtet und zeitgemäss umgesetzt.» 

Was braucht es, damit die öffentliche Wahrnehmung ihren traditionellen, männerdominierten Fokus erweitert?

«Es braucht das Bewusstsein, dass es in vielen Sportarten Top-Athletinnen gibt und dies dementsprechend auch gefördert wird. Kurioserweise musste ich feststellen, dass genau dann Widerstand aufkommt. Es kursiert die Angst, dass Frauen die Macht übernehmen wollen. Dabei geht es doch einfach um Gleichberechtigung.» 

Gerade in Randsportarten hält es viele Sportler:innen davon ab, den Schritt zum Profi zu machen. Wieso dich nicht?

«Ich habe diesen Schritt 2016 trotz einiger negativen Stimmen gemacht, weil ich mir sicher war. Die Profi-stellen im Schiessen gab es zwar noch nicht lange, aber ich habe unzählige Budgets erstellt und mir alles genau überlegt. Es hat sich herausgestellt, dass ich zwar nicht reich werde… Aber arm sicher auch nicht. Deshalb dachte ich mir: wieso nicht? Die kritischen Stimmen habe ich einfach ausgeblendet und heute kann ich ihnen zeigen, dass es sich gelohnt hat.»


Dies ist ein Appell, die Leistung von allen Sportler:innen zu würdigen. Egal in welcher Sportart und welches Geschlecht – Anerkennung für die erbrachte Leistung haben alle verdient. Dabei geht es nicht primär um Geld und Pokale, sondern um Respekt für die dahinter stehenden Anstrengungen. 


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