Sport während und nach der Schwangerschaft – ein Interview

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Zuletzt aktualisiert:

10. Januar 2024

Sport treiben in der Schwangerschaft, ist das empfehlenswert? Was sollte dabei beachtet werden? Wie kann man nach der Schwangerschaft wieder in den Sport einsteigen? Antworten auf diese Fragen gibt dir Dr. med. Sibylle Matter Brügger, Leiterin Sportmedizin Sports Medical Center Medbase Bern Zentrum, im Interview.

Dr. med. Sibylle Matter Brügger

Allg. Innere Medizin FMH, Sportmedizin SEMS, Leiterin Sportmedizin Sports Medical Center Medbase Bern Zentrum. Die ehemalige Triathlon-Olympionikin und Gewinnerin des Ironman Zürich ist heute Chief Medical Officer bei Swiss Triathlon, sowie Verbandsärztin von Swiss Swimming und Swiss Cycling.

1) Ist es sinnvoll, während der Schwangerschaft Sport zu treiben?

Auf jeden Fall. Vorausgesetzt, es ist eine gesunde Schwangerschaft ohne Komplikationen.

a. Weshalb?

Weil es dem Kind und der Mutter dadurch besser geht und man weiss, dass zum Beispiel die Gewichtszunahme und der Blutdruck der Mutter geringer sind. Zudem verringert Sport die Gefahr, an Schwangerschaftsdiabetes zu erkranken. Auch das Kind ist durch die regelmässige Aktivität der Mutter fitter.

2) Was sollte dabei beachtet werden?

Voraussetzung für Sport in der Schwangerschaft ist, dass in den regelmässigen Schwangerschaftskontrollen nichts auffällig festgestellt wurde und das Kind normal wächst. Wenn Frauen aber zum Beispiel unvorhergesehene Blutungen oder einen harten Bauch haben, sollten sie Rücksprache mit den betreuenden Fachpersonen nehmen.

Grundsätzlich wird allen Schwangeren empfohlen, mindestens eine halbe Stunde pro Tag körperlich aktiv zu sein und es ist wichtig, dass sie versuchen von Anfang an aktiv zu sein. Auch sehr wichtig sind Kräftigungs-Gymnastik und -übungen für Rücken und Beckenboden während der Schwangerschaft. Dadurch treten weniger Rückenbeschwerden auf und die Becken- und Drehachsen-Stabilität ist grösser.

Dabei muss unterschieden werden, ob die Mutter vorher schon Sport gemacht hat oder nicht. Hat sie zuvor schon trainiert, so reduziert sich der Trainingsumfang im Verlauf der Schwangerschaft um ca. 50%.

Es gibt noch einige weitere Punkte, auf die Schwangere achten sollten:

  • Wenn sie Sport treiben in heisser und feuchter Umgebung, müssen sie darauf achten, dass sie nicht überhitzen.
  • Sie sollten Sportarten meiden, bei denen Risiken für Stürze oder Schläge auf den Bauch bestehen.
  • Nach dem vierten Monat sollten sie zudem keine Übungen machen, bei denen sie auf dem Rücken liegen, denn so kann der Blutfluss der Vena Cava, der grossen Vene, abgedrückt und damit die Blutversorgung des Kindes unterbrochen werden.
    Achtung: Dies kann auch bei starker Pressatmung beim Krafttraining verursacht werden.

a. Sollte ohne externe Gewichte trainiert werden?

Das muss nicht sein, jedoch sollte der Widerstand so gewählt werden, dass es zu keiner Pressatmung kommt. Das Training sollte im Kraftausdauerbereich liegen.

3) Welche Sportarten sind empfehlenswert für Schwangere?

Sehr geeignet sind Ausdauersportarten wie Walking und Wandern, übergehend zum Joggen sowie Velofahren. Für diejenigen, die nicht so geübt sind oder kein Risiko eingehen wollen, empfiehlt sich ein Hometrainer. Schwimmen ist sehr geeignet. Im Winter kann man je nach Strecke Langlaufen gehen. Im Fitnessraum kann man natürlich auch auf dem Stepper trainieren und bis zu einem gewissen Mass auf dem Ruderergometer.

4) Welche Sportarten eignen sich nicht für Schwangere?

Weniger geeignet sind Spiel-Sportarten, bei denen man Gegner-Kontakt hat. Skifahren ist ebenfalls ungeeignet. Skifahren selbst ist kein Problem, aber die Stürze, die man dabei haben kann. Dasselbe gilt fürs Mountainbiken, bei dem ein höheres Sturzrisiko besteht. Es empfiehlt sich, dass man die Sportart bereits zu Beginn der Schwangerschaft ausübt, sodass sich die eigene Beckenboden- und Bauchmuskulatur an die Belastung gewöhnt.


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5) Inwiefern kann man sich dabei auf sein Gefühl, das Wohlfühlen verlassen?

Im Allgemeinen kann man sich gut darauf verlassen. Möchte die Frau jedoch intensivere Einheiten trainieren, so empfiehlt es sich, zumindest die Herzfrequenz zu überwachen.

6) Wie intensiv darf Sport während der Schwangerschaft sein?

Diese Frage ist häufig und vor allem wichtig für diejenigen, die ambitioniert sind. Ansonsten kann man empfehlen, die Intensität so anzupassen, dass man sich wohl fühlt. Man sollte aufpassen, dass man bei intensivem Training nicht über 90% der eigenen maximalen Herzfrequenz, des Pulses, geht. Man hat herausgefunden, dass es ansonsten zu verminderter Durchblutung der Plazenta und reduzierter Herzfrequenz des Kindes kommen kann. Es ist nicht klar, ob dies effektiv negative Auswirkungen auf das Kind hat. Man rät jedoch davon ab.

7) Zu welchen Komplikationen kann es bei einem zu intensiven Training während der Schwangerschaft kommen?

Hier gibt es noch nicht besonders viele Empfehlungen. Die Körpertemperatur sollte nicht über 39°C ansteigen. Es ist auch sehr wichtig, immer genügend Flüssigkeit und Energiequellen bei sich zu haben. Der Energiestoffwechsel ist nicht ganz derselbe in einer Schwangerschaft, wie zuvor. Ein plötzlicher Hungerast kann unerwartet auftreten.

Es ist auch wichtig, dass man sich nach dem Training die nötige Erholung gibt. Im Verlaufe der Schwangerschaft merkt man zunehmend, dass man nach der Aktivität mehr Erholung braucht. Die darf man sich auch gönnen. Es kann sein, dass man in den ersten drei Monaten extrem müde ist.

8) Sport nach der Schwangerschaft – Wann darf wieder mit dem Training begonnen werden?

Das kommt auf die Art der Geburt an und ob es dabei allenfalls Verletzungen gegeben hat . Wichtig ist es, dass man keine Schmerzen mehr hat. Je nachdem, wie die Geburt verlaufen ist, hat man am Anfang starke oder gar keine Beschwerden. Es ist wichtig, dass man beim Sport keine Schmerzen mehr hat und keine Entzündungen vorliegen.

Man sollte auch den Beckenboden wieder spüren und anspannen können. Während der Aktivität sollte man ihn halten können. Dafür ist es sinnvoll, ihn bereits vor der Schwangerschaft zu trainieren. So weiss man, wie es sich anfühlt, den Beckenboden anzuspannen und kann es nach der Schwangerschaft auch wieder.

Dies verhält sich sehr individuell. Manchmal kann man nach 2-3 Wochen bereits wieder Sport machen. Andere benötigen 6-8 Wochen, bis sie wieder einsteigen können. Es hängt davon ab, wie die Geburt verlaufen ist.

Nach einem Kaiserschnitt muss man warten, bis die Bauchmuskulatur wieder zusammengewachsen ist. Ganz wichtig ist es, wenn man sich gut fühlt und keine Beschwerden mehr hat, nicht zu schnell wieder einzusteigen. Denn die Bänder waren während der Schwangerschaft sehr locker, damit die Geburt des Kindes überhaupt möglich ist.

Es dauert bis zu 12 Monate, bis alles wieder so stabil ist wie vor der Schwangerschaft. Wenn man zu schnell zu intensiv wird und die Bänder noch nicht so stabil sind, kann das beispielsweise zu einem Ermüdungsbruch führen. Das sieht man nicht selten bei Läuferinnen, weil ihr Herz-Kreislauf-System relativ bald wieder fit ist, aber der Bewegungsapparat noch nicht stabil genug ist.

9) Weshalb ist die Beckenbodenmuskulatur entscheidend?

Die Beckenbodenmuskulatur ist auch sonst beim Sport bedeutsam. Diese anspannen zu können ist wichtig, weil es ansonsten zu ungewolltem Urin- und Stuhlverlust kommen kann. Wenn man nicht lernt, diesen anzuspannen, solange man aktiv ist, wird es schwieriger, dies nach der Schwangerschaft zu können.

10) Was muss sonst noch zum Thema gesagt werden?

Sport nach der Schwangerschaft kann auch helfen, wenn man zu viel Gewicht zugenommen hat und dieses wieder abnehmen möchte. Auch beim Stillen hat intensives Training beispielsweise keinen Einfluss auf die Muttermilch. Man sollte sich jedoch die Nährstoffe und Energie, die man braucht, zuführen. Ansonsten kann die Milchproduktion unterdrückt werden. Manchmal hört man, dass intensives Training die Milch sauer macht. Das stimmt nicht.


Wer ist Medbase?

Medbase ist das grösste multidisziplinäre sportmedizinische Netzwerk der Schweiz und bietet spezialisierte sportmedizinische Dienstleistungen für Athletinnen und Athleten, Vereine und Sportverbände aller Aktivitätsstufen in den Bereichen Sportmedizin, Sportphysiotherapie, Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung.

www.medbase.ch/sport/


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